Auf der republica 2019 haben ExpertInnen aktuelle Analysen und Studien vorgestellt, wie Social Media für Hetze und Propaganda genutzt werden. Auch bei der anstehenden Wahl zum Europäischen Parlament am 26. Mai stehen Facebook und Twitter wieder im Fokus. Wir haben zentrale Ergebnisse und Analyse-Tools zusammengestellt.
re;publica 2019
Der Münchener Politikwissenschaftler Prof. Dr. Simon Hegelich beschäftigt sich in einem neuen Projekt mit den Effekten von Desinformationskampagnen und kommt bisher zu dem Schluss, dass eine Wirkung auf das Meinungsbildungsverhalten der Bürger_innen nicht festgestellt werden kann. Dazu nutzt die Forschungsgruppe eine von Facebook bereitgestellte Schnittstelle zum Werbeprogramm des Sozialen Netzwerks. Damit ist es möglich, die politisch klassifizierte Werbung auf Facebook auszuwerten. Das Facebook Ads Archive steht frei zugänglich im Netz und ist für alle Interessierten nutzbar.
Auf der republica, dem Festival zu Netzpolitik, Social Media und digitale Gesellschaft hat Hegelich einige interessante Zwischenergebnisse vorgestellt: 89 Prozent der Internetnutzenden informieren sich während eines Wahlkampfs in den Sozialen Medien über politische Forderungen und Stimmungen. 57 Prozent davon geben an, dort auch irreführende Aussagen gefunden zu haben. Daraus leiten Hegelich und andere die Forderung nach Transparenz über politisch agierende Werbetreibende ab. Es muss den Nutzenden in den Sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram oder Twitter auf den ersten Blick klar sein, ob es sich um eine Anzeige oder die Äußerung eines Nutzenden des Netzwerkes handelt, ebenso sollte es unter der jeweiligen Anzeige einen Verweis zu weiterführenden Informationen der Anzeige geben.
Den Post eines Bots von dem eines Menschen zu unterscheiden, fällt den meisten Nutzenden nicht schwer. Dazu hatte der Journalist Michael Kreil sehr viele Tweets auf Twitter ausgewertet. Hier sein Vortrag auf dem Chaos Communication Congress (34C3) in Leipzig 2017.
Frank Rieger vom Chaos Computer Club (CCC) hat in seinem Vortrag auf der republica Forschungsergebnisse vorgestellt, die nachweisen, dass nicht Bots, sondern vor allem echte Menschen gekauft werden, um politische Aussagen in den Sozialen Netzen zu streuen. Umso problematischer ist die Rekrutierung sogenannter Clickworker für die politische Agitation. Weil sich ehrliche politische Überzeugung nur schwer von gekaufter unterscheiden lässt. Außerdem fallen solche Kampagnen nie unter die oben genannten Werbeanzeigen. Es ist aber davon auszugehen, dass auf den einschlägigen Plattformen wie Mechanical Turk und andere auch solche Dienstleisungen eingekauft werden. Zum Beispiel sind auf der Crowdworking Plattform Fiverr Angebote zu finden, bei denen ein Nutzer anbietet, Social Media Posts für die politische Kampagne zu schreiben.
Auf der Plattform political-dashboard.com kann man sich einen Einblick in die Welt der politischen Kommunikation bei Twitter verschaffen. Hier werden nicht nur die Parteien selber untersucht, sondern auch ihre Anhänger, die sich dadurch qualifizieren, dass sie mindestens fünf mal den Post einer politischen Partei retweetet haben, also eine Kopie des Posts einer politischen Partei in ihrem Namen erneut veröffentlichen. Auch die Themen, die in den einzelnen Twitterposts verhandelt wurden sind auf der Plattform gegenüber gestellt worden. Das alles sind allerdings nur zaghafte Versuche die politische Kommunikation in den Sozialen Netzwerken zu reflektieren und sie sind häufig von der Plattform entkoppelt, auf der sie gepostet wurden. Das macht es für die Nutzenden nicht leichter, eine politische Botschaft einzusortieren.
Vor allem im Vorfeld der Europawahl sollten wir also kritisch mit den Posts umgehen, die uns erreichen. Auf den meisten Plattformen sorgt ein Algorithmus - also eine Regel - die die Plattformbetreibenden definieren, dafür, dass mich ein Beitrag überhaupt erreicht. Vor allem bei politischen Postings, sollten wir uns fragen, warum wir sie sehen können. Zufall ist es bestimmt nicht. Die genannten Plattform können helfen, der Beantwortung dieser Frage auf die Spur zu kommen.
Ein Text von Guido Brombach
Hier kommen weitere Tools, um Fake News aufzudecken und Trend-Themen in den Netzwerken im Auge zu behalten:
https://newsaggregator.oii.ox.ac.uk/news/app/
http://osome.iuni.iu.edu/tools/