Deutscher Gewerkschaftsbund

Überblick Häusliche Betreuung

Struktur der Branche

In Deutschland gibt es 3,4 Millionen Pflegebedürftige, von diesen werden 2,59 Mio. (76 Prozent) zu Hause versorgt. 1,1 Mio. der Angehörigen erhalten dafür Pflegegeld. Dieses wird zum Teil für die sogenannte „Live-ins“ aus Osteuropa verwendet. Leider gibt es keinerlei verlässliche Daten über die Anzahl von Live-in-Kräften in Deutschland. Zudem wird davon ausgegangen, dass ein großer Prozentsatz dieser Beschäftigungen undokumentiert abgewickelt wird. Da die Live-in-Kräfte in der Regel über keine medizinische Ausbildung als Pflegekraft verfügen, werden sie in den Verträgen häufig als Haushaltshilfen geführt. Somit steht ihnen auch nur der in Deutschland geltende Mindestlohn und kein Branchenmindestlohn zu. Schätzungen zufolge arbeiten in Deutschland bis zu 600.000 Live-in-Kräfte. In dem Sektor existieren zahlreichen Beschäftigungsmodelle, wie das sog. Arbeitgebermodell, bei dem die Betreuungskraft bei der Familie oder einem ambulanten Pflegedienst angestellt ist und das Selbständigen-Modell, bei dem ein Gewerbe in Deutschland angemeldet wird. Eine weitere Beschäftigungsform ist das sogenannte Entsende-Modell. Hierbei werden die Betreuungskräfte von im Ausland ansässigen Firmen nach Deutschland entsandt und bleiben dadurch in den Entsendestaaten sozialversichert. Ein weiteres Modell, das besonders bei Betreuungskräften aus Polen dominiert, ist der zivilrechtliche Dienstleistungsvertrag. Dabei handelt es sich um eine Auftragsbeziehung zwischen der ausländischen Betreuungskraft als Auftragnehmerin und der ausländischen Vermittlungsfirma als Auftraggeberin. Mit dem Dienstleistungsvertrag hat die Auftragnehmerin den Status einer Selbständigen und keinen Anspruch auf Arbeitnehmerschutzrechte, wie bezahlten Erholungsurlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Kündigungsschutz. Aus diesem Grund wird der Vertrag in Polen auch als „Müllvertrag“ bezeichnet.

Hauptprobleme

Zu den größten Problemen in der Branche, unabhängig von der Vertragsform, zählen die Arbeitszeitgestaltung. Die vertraglich vereinbarte (bis zu 40 Std. pro Woche) und die tatsächlich geleistete Arbeitszeit (inkl. Bereitschaftszeit) driften stark auseinander, was zu Stundenlöhnen von drei bis fünf Euro führt. Weitere Probleme sind: Vertragsklauseln zu überhöhten Vertragsstrafen, Folgeprobleme nach Arbeitsunfällen oder Arbeitsunfähigkeit, Probleme mit Kost und Logis sowie psychische und physische Überlastung.

Aktivitäten von Faire Mobilität

Um trotz der eingeschränkten Erreichbarkeit der Betreuungskräfte Beratung anbieten zu können, besteht seit Juni 2020 eine Kooperation mit dem Beratungsprojekt Migrationsberatung 4.0 des Minor - Projektkontor für Bildung und Forschung (https://minor-kontor.de/migrationsberatung-4-0/). Das Projekt bietet Arbeitsrechtsberatung in sozialen Medien in Form von juristischen Postings für zunächs polnischsprachige Betreuungskräfte an. Faire Mobilität ergänzt dieses Angebot durch eigene Postings sowie monatliche Video-Chat-Treffen, die „Virtuelle Cafés“ heißen. Jedes Café hat dabei einen thematischen Schwerpunkt, z. B. Rechte und Pflichten eines Dienstleistungsvertrags vs. Arbeitsvertrag, Anerkennung beruflicher Qualifikationen, Informationen über Sozialabgaben bei Dienstleistungsverträgen. In den kommenden Wochen wird zudem eine Facebook-Seite gestartet, die in polnischer Sprache Betreuungskräfte über ihre Rechte informiert. Als zusätzliches Angebot wurden auf der an Ratsuchende adressierten Webseite www.fair-arbeiten.eu FAQ zu Arbeitsrechten für Betreuungskräfte entwickelt. Diese werden derzeit aktualisiert. Mittelfristig sind thematische Podcasts zu Arbeitsrechten von Betreuungskräften geplant.


Seit Januar 2019 zunächst bis Juni 2022 befristet findet im Rahmen des internationalen Projekts Network Fair Posting (www.fair-labour-mobility.eu/de) eine enge Zusammenarbeit mit der in Warschau ansässigen Beratungsstelle des polnischen Gewerkschaftsbundes, OPZZ (Ogólnopolskie Porozumienie Zwiazków Zawodowych, www.opzz.org.pl), statt. Das Projekt Network Fair Posting verfolgt das Ziel entsandte Beschäftigte in den Heimatländern, in Ungarn, Rumänien, Polen, Kroatien und in Slowenien in enger Kooperation mit Faire Mobilität zu arbeitsrechtlichen Fragen zu beraten. Wegen des thematischen Zuschnitts der Beratungsstelle in Warschau findet eine enge Zusammenarbeit bei Fällen der häuslichen Betreuung statt.

Mit Unterstützung der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di wird zudem der Fall einer bulgarischen Betreuungskraft vor Gericht verhandelt, die den Lohn für 24 Std. Arbeitszeit pro Tag für die Betreuung einer alten Seniorin in Deutschland im Jahr 2015 eingeklagt hat. Der Fall wurde kürzlich vor dem Bundesarbeitsgericht verhandelt und war Anstoß für ein wegweisendes Urteil, nach dem die
Bereitschaftszeit der Betreuungskräfte mit dem deutschen Mindestlohn zu vergüten sei. Der Prozess wird flankiert durch enge Netzwerkarbeit zwischen Faire Mobilität, DGB und ver.di sowie gezielte Medienarbeit für Print, TV sowie Rundfunk. Faire Mobilität verfasst zudem eigene Artikel zu diesem Thema, in denen konkrete Fälle aus der Beratungspraxis beschreiben werden (siehe https://www.faire-mobilitaet.de/faelle).


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Branchenkoordination Häusliche Betreuung

Justyna Oblacewicz

Mobil +49 151 22216438
E-Mail oblacewicz@faire-mobilitaet.de

 

Bernadett Petö

Telefon +49 231 54507982
E-Mail petoe@faire-mobilitaet.de

Videoreihe auf Polnisch - Häusliche Betreuung

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