Deutscher Gewerkschaftsbund

Transportbranche

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – auf der gleichen Autobahn!

Broschüre Transport

DGB

Auf den Straßen der EU sind bis zu 3,8 Millionen LKW-Fahrer im Einsatz. Viele von ihnen sind monatelang unterwegs und campieren auf überfüllten Autobahnparkplätzen. In diesem Markt fahren viele Speditionen aus osteuropäischen EU-Ländern, oft sind sie im Auftrag großer Logistikfirmen aus Deutschland, Frankreich oder Belgien unterwegs. Ihre Fahrer werden zu osteuropäischen Mindestlöhnen um die 500 Euro beschäftigt. Dort, wo ihnen bei Transporten in Westeuropa eigentlich die höheren Mindestlöhne der jeweiligen Einsatzländer zustehen, findet massiver Lohnbetrug statt. Die kurze Broschüre gibt einen Einblick in die Situation.

Faire Mobilität im Transportbereich

Faire Mobilität

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Faire Mobilität

Eine zunehmende Zahl von Menschen aus Mittel- und Osteuropa arbeitet im europäischen Transportsektor. Seit 2017 hat Faire Mobilität in einem Schwerpunktprojekt die Information und Beratung von Lkw-Fahrern intensiviert. Dabei ist das Ziel „Gute Arbeit“ auch im Transportsektor aktiv zu fördern.

5.000 Fahrer bei etwa 100 Aktionen erreicht

Seit Mitte 2017 hat Faire Mobilität etwa 5.000 Fahrer in ihren Herkunftssprachen über ihre Rechte in Deutschland informiert. Dafür wurden knapp 100 Infoaktionen auf Raststätten und Autohöfen in ganz Deutschland und im Grenzgebiet zu Polen, Niederlande, Belgien und Dänemark durchgeführt (Stand: August 2020). Die Infoaktionen werden von den jeweiligen Beratungsstellen von Faire Mobilität, in Kooperation mit ver.di, landesfinanzierten Beratungsstellen und anderen Partnern durchgeführt. In Süddeutschland besteht eine besonders enge Zusammenarbeit mit der Betriebsseelsorge Stuttgart-Rottenburg.

Fokus nicht neu, Schwerpunkt bietet neue Möglichkeiten

In den ca. 5.000 Gesprächen, die mit Fahrern geführt wurden, zeigte sich vielfach, dass die Fahrer nicht wissen, welche Rechte ihnen zustehen. Ihre Annahme ist häufig, dass nur das Arbeitsrecht des Landes für sie Gültigkeit habe, in dem sie ihren Arbeitsvertrag unterschrieben haben. Und dies, obwohl der überwiegende Teil der Fahrer nicht in dem Land arbeitet, in dem der Arbeitsvertrag unterschrieben wurde. Zudem haben die Fahrer in der Regel keine Kenntnis von dem in Deutschland geltenden gesetzlichen Mindestlohn, der für sie Gültigkeit hat, wenn sie in Deutschland eingesetzt sind.

Der Fall Jiri Gabrhel gegen die Deutsche Post: Recht auf Mindestlohn durchgesetzt

Besondere Bedeutung erlangte der Fall eines tschechischen Fahrers, der im Auftrag eines tschechischen Unternehmens regelmäßig für die Deutsche Post AG gefahren war. Er hatte dafür den tschechischen Mindestlohn von 450 Euro im Monat – zuzüglich Spesen in Höhe von 1.000 Euro – erhalten, obwohl er Anspruch auf den deutschen gesetzlichen Mindestlohn gehabt hätte. Aufgrund der Beratung von Faire Mobilität, entschied sich der Fahrer, nachträglich gegen die Deutsche Post AG zu klagen. Da das Unternehmen eine Entscheidung im Grundsatz vermeiden wollte, war es zu einer Nachzahlung bereit, die sich am Mindestlohn in Deutschland orientierte. Dieser Fall ist vor allem in der Tschechischen Republik breit rezipiert worden und hat eine enorme Strahlkraft entwickelt.

Erkenntnisse aus dem Teilprojekt „Straßentransport“

  • Auf den Raststätten in Deutschland trifft man am Wochenende vor allem auf Fahrer aus Mittel- und Osteuropa. Viele Fahrer haben einen Vertrag mit einem Unternehmen in Osteuropa, wickeln aber ausschließlich Transporte in westeuropäischen Ländern ab. Nach ihrem Arbeitseinsatz, der zwischen drei Wochen und drei Monaten dauern kann, werden sie mit Minibussen in die Herkunftsländer transportiert und durch neue Fahrer ersetzt.
  • In den Wochen ihrer Arbeitseinsätze leben die Fahrer ausschließlich in ihren Fahrzeugen. Zusätzliches Geld für die Benutzung von Toiletten, Duschen oder Unterkunft auf Rastplätzen steht ihnen nicht zur Verfügung. Auch die Verpflegung muss selbst organisiert werden.
  • Unternehmen aus Osteuropa bezahlen ihre Fahrer in aller Regel nach dem sogenannten Spesenmodell: Die Fahrer erhalten einen Großteil ihres Lohnanspruches – häufig bis zu zwei Drittel – in Spesen. Dadurch sparen die Unternehmen Sozialabgaben und Steuern. Die Fahrer zahlen nur geringe Beträge in die Sozialkassen ein und erhalten bei Krankheit nur einen Bruchteil ihrer monatlichen Entlohnung. Im Durchschnitt zahlt ein Unternehmer für einen Fahrer mit osteuropäischem Vertrag pro Jahr 5.000 Euro weniger als für einen Fahrer, der in Deutschland den Mindestlohn ausgezahlt bekommt.
  • Unternehmen aus Westeuropa erkennen in dieser Praxis vermehrt eine Chance für eine sogenannte „Mischkalkulation“. Dafür gründen sie Niederlassungen in osteuropäischen Ländern und stellen Fahrer zu den gleichen Dumping-Bedingungen an. In ihren westeuropäischen Filialen wickeln sie dann meist nur noch nationale Transporte ab, internationale Transporte bieten sie aus ihren osteuropäischen Filialen an. Bei diesen "Filialen" handelt es sich nicht selten um Briefkastenfirmen.
  • Außerdem decken westeuropäische Unternehmen den Fahrermangel vermehrt mit Fahrern aus osteuropäischen Ländern. Diese werden zwar direkt in Westeuropa angestellt, jedoch häufig zu schlechteren Arbeits- und Entlohnungsbedingungen als Fahrer, die schon länger über einen Vertrag bei einem westeuropäischen Unternehmen verfügen.
  • Transporte mit Fahrzeugen unter 3,5 Tonnen Gesamtgewicht, die deutlich weniger reguliert sind, werden zunehmend zur Umgehung der digitalen Aufzeichnungspflichten, der vorgeschriebenen Ruhezeiten und der Kabotage-Einschränkungen genutzt.
  • Auf den Autobahnen trifft man vermehrt Fahrer aus der Ukraine und aus Weißrussland, die für polnische Unternehmen arbeiten und weniger verdienen, als polnische Fahrer. Das gleiche Modell existiert in Slowenien mit Fahrern aus Serbien, Bosnien und anderen Nachfolgestaaten Jugoslawiens.

 Vorschläge für eine Verbesserung der Situation:

„Faire Mobilität“ schlägt vor für alle Transporte, die als Dienstleistung ausgeführt werden – also auch solche mit einem Gesamtgewicht unter 3,5 Tonnen – mindestens die folgenden eindeutigen gesetzlichen Regelungen einzuführen:

  • Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohnes, kontrolliert durch digitalen Tachograph
    Der gesetzliche Mindestlohn gilt in Deutschland auch für Tätigkeiten, die nur kurzzeitig in Deutschland ausgeübt werden. Aktuell muss ein Lkw-Fahrer den Grenzübertritt und damit den Beginn und das Ende seiner in Deutschland ausgeübten Tätigkeit notieren. Jedes Fahrzeug, mit dem eine gewerbliche Transportdienstleistung ausgeführt wird, sollte schnellstmöglich mit einem digitalen Tachograph ausgerüstet werden, damit der Grenzübertritt automatisch und fälschungssicher erfasst wird.

  • Elektronischen Frachtbrief einführen, um Auftraggeberketten zu rekonstruieren
    Der Frachtbrief enthält alle Informationen über alle an einer Transportdienstleistung beteiligten Unternehmen. Aktuell müssen die dazugehörigen Dokumente in Papierform mitgeführt werden und können leicht gefälscht werden. Der Frachtbrief sollte jederzeit als elektronisches Dokument abrufbar sein, sodass die Ansprüche der Fahrer nicht nur gegenüber dem Arbeitgeber, sondern auch gegenüber anderen am Transport beteiligten Unternehmen (Generalunternehmerhaftung) durchsetzbar sind.

  • Beschäftigte im Transportsektor sollten unbedingt unter den Schutz der neuen Entsenderichtlinie fallen
    Es gibt keinen Grund, den Transportsektor aus der neuen Entsenderichtlinie herauszunehmen. Transnationale Dienstleistungen, bei denen ein Spediteur aus einem Land A Aufträge aus einem Land B annimmt, sind als Entsendung in das Land B zu behandeln. Es gibt keinen Grund, dies im Transportportsektor anders zu handhaben als bspw. bei der Beauftragung eines Bauunternehmens aus einem Land A, der mit der Fertigstellung eines Werkes in einem Land B beauftragt wurde. Durch den Einsatz digitaler Tachographen und elektronischer Frachtbriefe kann die notwendige Datenerfassung zum Nachweis einer Entsendung deutlich vereinfacht und fälschungssicherer gestaltet werden.

  • Auf Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen hinarbeiten
    Der Mindestlohn alleine reicht nicht aus, um gleiche Arbeitsbedingungen für gleiche Arbeit am gleichen Ort durchzusetzen. Für alle Beteiligten sollte es das Ziel sein, die vergleichsweise guten Arbeits- und Entlohnungsbedingungen der Flächentarifverträge zu erhalten - immerhin existieren solche Tarifverträge in fast allen Bundesländern. Sie stehen massiv unter Druck: Beispielsweise beobachten wir, dass unter deutschen Arbeitgebern die Tarifbindung alles andere als weit verbreitet ist. Auch gelten diese Tarifverträge bisher nicht für Beschäftigte, die nur nach Deutschland entsandt sind.
    Dass es auch anders geht zeigen die Erfahrungen aus anderen Branchen: Beispielsweise in der Bau- oder Pflegebranche wurde das Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) genutzt, um Tarifverträge auf alle Beschäftigten auszuweiten - sowohl auf Beschäftigte, die in Deutschland angestellt sind, als auch auf Menschen, die nach Deutschland entsandt sind.

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Kontakt

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c/o IG Metall, Alte Jakobstraße 149, 10969 Berlin
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Telefon +49 30 219653721

 

 

Flyer

Der Gesamtflyer gibt Auskunft über die Arbeit von Faire Mobilität und die nationalen Beratungsstandorte, sowie die europäischen Kooperationspartner*innen.