Deutscher Gewerkschaftsbund

Juni 2013

Zu viel versprochen – Ein (typischer) Fall aus der Fleischbranche in Niedersachsen

Fleischbranche

Udo Böhlefeld/pixelio.de

Als Grazyna* sich mit zwei Bekannten aus Polen nach Deutschland aufmachte, ging sie von einer ordentlich geregelten und angemeldeten Beschäftigung von 8-10 Stunden täglich in der Fleischverpackung eines großen Betriebes südlich von Oldenburg aus.

Losgehen sollte es sofort nach Anreise und Erledigung der Formalitäten. Vermittelt hatte ihnen die Arbeit eine Bekannte, die selber bereits seit einiger Zeit in Niedersachsen arbeitete. Von dieser erhielten sie den Kontakt zu zwei polnischen Vorarbeitern des Fleischbetriebes, die den drei Bekannten am Telefon alles erklärten. Nach der Anreise dann der erste Schock: Die Vorarbeiter nahmen ihre Anrufe nicht mehr entgegen und ließen Grazyna und ihre Bekannten drei lange Wochen ‚in der Luft hängen‘. Ihre Ersparnisse neigten sich bereits dem Ende zu und sie standen kurz vor der Rückkehr nach Polen als sich plötzlich die Vorarbeiterin bei ihnen meldete und sie für den nächsten Tag zur Arbeit bestellte. Auf einmal musste alles ganz schnell gehen: Ohne die erforderliche Unterweisung des Gesundheitsamtes, ohne vorgeschriebene Arbeitsschuhe und vor allem ohne schriftlichen Arbeitsvertrag begannen die drei die Arbeit in der Verpackung. Statt den zulässigen 8 Stunden mussten sie von Beginn an 12-14 Stunden arbeiten, „bis alles geschafft war“. Mehrmals forderten sie einen Arbeitsvertrag bei den Vorarbeitern an. Nach etwa zwei Wochen kam es schließlich zum lautstarken Streit, in dessen Folge Grazyna und ihre Bekannten sich entschlossen, die Arbeit einzustellen.

Zu diesem Zeitpunkt wussten sie noch nicht einmal, bei welcher Firma sie angestellt waren, geschweige denn, ob sie von dieser bei der Sozialversicherung angemeldet wurden. Aus den Erzählungen der Kollegen erfuhren sie, dass weitere Personen dort ohne schriftlichen Arbeitsvertrag tätig waren, nachdem sie zuvor der Vorarbeiterin 250 € für die ‚erfolgreiche‘ Vermittlung bezahlt hatten. Grazyna, die mit ihrer ganzen Familie nach Deutschland gekommen war und ihre zwei Bekannten reisten schließlich ohne Bezahlung zurück nach Polen. Übers Internet fanden sie zu Faire Mobilität in Hamburg. Dort wurde in Zusammenarbeit mit der NGG Oldenburg die Geltendmachung des ausstehenden Lohnes eingeleitet und Ihnen zu einer Meldung bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit geraten. Im Mai 2013 erhielten sie schließlich – fast 10 Monate später – ihre Gehaltschecks.

*Name geändert

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